Nach dem überraschend guten 1. Teil kämpfte und schlich ich mich durch den Nachfolger. Wie es mir dabei gegangen ist entnehmt ihr meinem Review weiter unten!
Trailer
Review
Eine herbe Enttäuschung!
Nach dem fulminanten und speziellen 1. Teil waren meine Erwartungen an den Nachfolger entsprechend hoch. Auch die diversen positiven Feedbacks in Spieleforen unterstützten diesen Eindruck. Umso herber dann bereits das erste Nasenrümpfen nach etwas mehr als 30min Spielzeit: Das Game stellt das Konzept des 1. Teils grundlegend auf den Kopf und packt den ursprünglich linear aufgebauten Thirdperson Horror-Stealth-Shooter in ein Open-World Gewand à la Branchenriese GTA. Eine für mich überraschende Entscheidung, gerade für ein einst so einschlägiges Horror-Spiel, welches durch die klaustrophobische Atmosphäre in dunklen, meist blutverschmierten Gängen und Zimmern zu punkten wusste. “Nun gut”, dachte ich, “das Spiel wird sich schon irgendwie entwickeln und Open-World kann ja durchaus seinen Reiz haben”. Leider wartete ich noch den gesamten Rest des Spiels darauf, dass sich die Open-World Entscheidung als Gewinn für das Spiel entpuppt. Meins wars nicht!
Besonders bedauerlich finde ich, dass das im 1. Teil noch so charakterstarke Spiel mit all seinen schrägen Figuren mehr oder weniger zu einem standard Zombie-Shooter verkam und auf weite Strecken sehr “Mainstream” wirkt. Denn: von den wenigen Gegnertypen (ein weiterer Kritikpunkt), mit welchen sich Sebastian Castellanos den gesamten 2. Teil lang herumschlägt, wird der Spieler zu gefühlten 90% mit “otto-normal” Zombies konfrontiert, welche bereits nach den ersten 30 Sekunden in der offenen Spielwelt auftauchen und dich versuchen zu töten. Diese Zombies sind dann auch genau, was man von ihnen erwartet: Wenn sie nicht “wie Zombies” in der Gegend herumlaufen, reissen sie tote Leiber auseinander und verköstigen sich an ihnen. Horror 1×1 und “made to forget”, das Spiel erinnert so mehr an The Walking Dead als an einen eigenständigen Horror-Banger. Positiv überrascht war ich dennoch von der Geräuschkulisse: Die Gegner besitzen allesamt ein gut vertontes Arsenal an Brüllern und Screams, welches dir durchaus das Blut in den Adern gefrieren lassen können. Schade ist das ganze Darumherum so verdammt Mainstream aufgezogen.
Lässt man den ganzen Open-World Teil aussen vor, dreht sich das Spiel im Kern um den Hauptstrang, und ich sage mal “die Familienprobleme” von Sebastian Castellanos. Und mann, auch hier wieder: was für ein Schwachsinn! Der Protagonist wird zurück in die Traumwelt geschickt, um dort seine Tochter “Lily” (ach der Name…) zu suchen, welche – wie es der Zufall will – von den bösen Männern in schwarz als “Core”, und damit als eine Art Treibstoffzelle, für die ganze Traumwelt benutzt wird. Zuerst geht dir dabei unweigerlich durch den Kopf: “Offensichtlicher Vorwand, um Castellanos wieder zurück in die Maschine zu holen”. Plötzlich wird aber klar, dass dies der volle Ernst der Storywriter ist (huiii Spoliers)! Dabei ist das gesamte Emotionsgedöns der Hauptfigur von Beginn an dermassen lächerlich und kitschig umgesetzt (und ich spielte die original unsynchronisierte US-Version wohlverstanden), dass ich es schlicht nicht ernst nehmen konnte. Das ganze Rumgejammer wegen “oh, meine kleine Tochter”, “Lily, Lily, Lily” usw. ging mir nach einer gewissen Zeit sogar so auf den Sender, dass ich mir ernsthaft überlegte, das Spiel an dieser Stelle einfach abzubrechen. Ich meine, was für ein Käse: Du wirst als Ex-Cop und Säufer (Klischee) von einer mysteriösen Organisation (Mobius) aus der Kneipe geholt, um danach deine Tochter aus der selben Maschine zu holen, welche schon im 1. Teil der Usprung allen Übels war? Gibt es wirklich keinen besser Qualifizierten für den Job? Und warum zum Teufel nimmt Mobius AUSGERECHNET Castellanos Tochter? Das alles ist dermassen an den Haaren herbeigezogen, dass es höchstens für ein B-Movie reicht, aber auf keinen Fall für einen Top-Titel! Und Castellanos macht noch mehr oder weniger Wiederstandslos bei all dem mit. Ich sage nur: LOL!
Aber nun ja, schiebt man die etwas langweilende Open-World Geschichte beiseite und missachtet auch die völlige Oberflächlichkeit der Story, hat man ja immer noch ein spannendes Horror-Spiel – oder?! Nun, ich sage mal: Jein. Im Vergleich zum Vorgänger wirkte “The Evil Within 2” für mich viel zahmer und vorhersehbarer. Ich meine, der Fotograf ist an sich ganz Nett für den Einstieg und auch Vater Theodor hat seine wortwörtlich “brennenden” Momente. Aber viel mehr ist ja dann auch nicht (?). Ich war überrascht, wie einfallslos das Spiel daherkam. Nichts, dass man nicht irgendwie schonmal erlebt hat, ausser vielleicht die recht coole Idee der Slo-Mo Todesaufnahmen des Fotografen. Auch die Gegnertypen kommen standardmässig daher: Keine abgefahrenen Stacheldrahtfiguren mehr, nur das gleich zu Beginn offenbarte Monster mit dem Sägeblatt erinnert noch so ein wenig an den Vorgänger. Schade! Dabei wäre in einer Traumwelt so vieles möglich gewesen. Man merkt, wohin das Review führt: Es ist zwar einiges vorhanden aber nichts, dass einem so richtig vom Hocker haut. Völlige Standardkost in fast allen Belangen, was angesichts des vorhandenen Potentials und der Erwartungen ernüchternd ist.
Dennoch möchte ich auch ein paar gute Sachen zum Schluss erwähnen: Das Spiel an sich ist ein solider Shooter mit einem funktionierenden und motivierenden Crafting-System. Die Spielwelt ist nicht all zu gross, wer möchte kann aber dennoch einiges entdecken und sich viele Sidestorys. Diese sind allerdings wiederum ziehmlich lasch erzählt (ich habe mir nur 2-3 davon “gegönnt”) und somit auch nicht so das schlagende Argument. Wer auf einem höheren Schwierigkeitsgrad spielt (ich spielte auf “Nightmare”), wird oft gezwungen sein zu schleichen, da Munition Mangelware ist. Dies klappt nach anfänglicher Eingewöhnungszeit ganz gut, wenn auch das Verhalten der Gegner teils ziemlich unfair erscheint und die Mechanik recht oberflächlich bleibt – wirklich vertiefen kann man sich in diesem Spiel auch beim Kampfsystem nicht. Die Waffenauswahl ist solide und altbekannt (Pistole, Pumpe, Pfeilbogen, etc.), wenn auch recht klein. Da hätte ich mir gerade gegen Ende eine grössere Auswahl gewünscht. Auch hier belibt das Spiel recht oberflächlich und einfallslos – nur warum? Dies fragte ich mich immer wieder.
Alles in allem ist das Spiel ein solider Horror-Shooter ohne grosse Höhepunkte oder Besonderem. Ich persönlich kann ihn nicht weiterempfehlen, da er für mich unter seinem Potential zurückbleibt und es bessere Alternativen gibt. Auch ist für mich unverständlich, warum fast alles, was den 1. Teil ausgemacht hat, für den 2. Teil über Bord geworfen und mit einem Haufen unspektakulärer Standardkost ersetzt wurde. Wer aber “The Evil Within 1” toll fand und noch etwas mehr in die Welt von Sebastian Castellanos (inkl. Family) abtauchen möchte, der kann sich den zweiten Teil durchaus mal zu Gemüte führen. 60.- CHF würde ich aber auf keinen Fall dafür ausgeben…
6/10
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