Racketen, Kugeln und explodierende Fässer fliegen dir um die Ohren, während du von der Bazooka zur Kettensäge wechselst, den nächstgelegenen Höllendämon in die Kunst der Forstarbeit einführst und durch den daraus sprudelnden Regen aus Munition, Rüstung und Lebenspunkten bereits mit der Super-Shootgun dem nächstgelegenen “halb missglücktes Genexperiment, halb Terminator” ins Gesicht fliegst und ihm eine Gutenachtgeschichte aus deinen zwei Edelstahlröhren erzählst – und das im 5-Sekunden-Takt. Willkommen bei Doom Eternal, dem neusten Streich aus dem Hause Bethesda und id Software.
Wer bereits nach diesen ersten Zeilen empört den Kopf schüttelt, der wird mit dem in 2016 mittels DOOM eigens kreierten Genre des ultra schnellen-fps (first person shooter)-höllen hack & slays wohl kaum in Berührung gekommen sein, welches besonders durch das extrem rasante und direkte Gameplay kombiniert mit akrobatisch anmutenden “glory kills” ein Alleinstehungsmerkmal bildete und eine neue Nische für Action-Junkies schuf, welche bis heute unerreicht schien. DOOM Eternal ist der direkte Nachfolger dieses Actionspektakels und setzt dem bereits grandiosen Vorgänger in fast jeder Hinsicht noch eine Schippe drauf. DOOM (2016) ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Band Motörhead: Es ist direkt, laut, abgefahren, dreht den Regler konstant auf 12 von 10 und versucht schon gar nicht, in irgendwelche Konventionen zu passen. Durch die konsequente Umsetzung dieses Konzeptes wirkt es gleichzeitig sehr bodenständig, weiss genau wo es hinwill und schafft durch seinen unverkennbaren Stil den Nährboden für ein Spiel, welches bereits jetzt als Klassiker bezeichnet werden kann. DOOM Eternal reitet den 2016 eingeschlagenen Pfad nun seit 20. März 2020 in grossem Galopp weiter und versucht, alle Spielelemente um weitere Aspekte zu ergänzen und die DOOM-Experience in jeder Hinsicht noch zu verbessern – dies gelingt über weite Strecken, aber nicht vollumfänglich.
Vielleicht waren die Erwartungen zu hoch. Aber die ersten 45 Minuten von DOOM Eternal wirkten im grossen und ganzen Enttäuschend. Die Grafik scheint im ersten Moment zwar hübsch, die gesamte Spielwelt wirkt dann aber erstaundlich künstlich und leblos. Die Gegner, welche von kleinem, zombieartigem Kanonenfutter bis haushohen Höllen-Terminator-Dämonen reichen, sind zwar hübsch animiert und sehen allesamt an sich klasse aus, scheinen aber zeitgleich nicht mit der Umgebung verschmelzen zu wollen – die Tiefe fehlt. Nach etwas rechechieren wird klar: DOOM Eternal spielt – im Gegensatz zu seinem Vorgänger DOOM (2016) – viel weniger mit Licht- und Schatteneffekten. Dies wirkt sich merkbar auf die Gesamtatmosphäre des Spiels aus und verhindert das “zusammenleimen” von bewegten und unbewegten Objekten. Auch Partikeleffekte wie Staub oder Regen, geschweige denn von Spiegeleffekten a la Raytracing, sind kaum bis gar nicht vorhanden.
Auf der anderen Seite wird schnell klar, wozu dieser Beschnitt dient: Das Spiel läuft selbst auf älterer Hardware unglaublich flüssig – auch mit 20 Monstern gleichzeitig auf dem Schirm. Hier scheint id Software einen kommerziell zugänglicheren Weg für das neue Aushängeschild des fps-shooters gewählt zu haben, da die optimierte id Tech 7 Enginge auch problemlos auf jeglichen Konsolen zu hohen Frameraten führen dürfte – ein inzwischen unverzichtbares Marketingkriterium. Zudem ist ein absolut flüssiges Spielerlebnis für die rasant gewählte Action unverzichtbar, weshalb dieser Grundsatzentscheid hier umso verständlicher erscheint.
Gleichzeitig verpasst DOOM Eternal ein ähnlich packender Einstieg in das Spiel wie noch sein direkter Vorgänger: Die erste Mission in einer postapokalyptischen Grossstadt wirkt erstaundlich Durchschnittlich für ein Spiel, das in vieler Hinsicht das Extreme sucht. Hier wäre definitiv mehr drinn gewesen und ein Anfang mit einem grossen Knall hätte dem Spieler – ähnlich wie bei modernen Blockbuster-Produktionen – bereits zu Beginn klar gemacht, was ihn in den nächsten 15-20 Stunden Kampagnienzeit erwartet.
Die erste Mission sowie die darauf folgende “Zwischenlandung” im Fortress of Doom – der neuen Hauptzentrales des Doom Slayer – können im grossen und ganzen als etwas ausgiebigeres Tutorial abgetan werden: Durch das konstante Einblenden von Erklärungen zu neuen Spielinhalten, welche das Geschehen jeweils komplett unterbrechen, kommt kaum ein flüssiges Spielerlebniss zustande. Dies wirkt zunächst sehr frustrierend, da die Abstände zwischen dem Einführen neuer Inhalte derart kurz sind, dass man sich kaum auf einzelne Aspekte konzentrieren kann. Spätestens ab der dritten Mission nehmen diese Einblendungen dann aber merkbar ab und man ist mit den Grundmechaniken des Spiels zunehmend vertraut. Dies ist auch der Moment, wo der Spielspass deutlich steigt: Sind alle Elemente erst einmal eingeführt, wird plötzlich ein in sich sehr stimmiges Gesamtkonzept spührbar, welches durch die vielfältigen Möglichkeiten des Hüpfens, Schiessens und spektakulären zerstörens von Zombies, Dämonen und Robotern aus der Hölle enormen Spielspass bereitet. Auf einmal ist die anfängliche Flaute vergessen und das Spiel saugt dich durch seine vielen Herausforderungen regelrecht auf: DOOM Eternal beginnt aus dem Vollen zu schöpfen!
“Aus dem Vollen schöpfen” heisst bei DOOM Eternal konstante, spektakuläre Action kombiniert mit einem ultraschnellen und gleichzeitig sehr herausfordernden Gameplay, welches jedoch zu keiner Zeit unfair erscheint – ein wichtiger Punkt! Nebst dem zunehmenden Schwierigkeitsgrad sind auch die durch den Spielfortschritt ständig wachsenden Möglichkeiten des Doom Slayer im permanenten Ausgleich mit der zunehmenden Artenvielfalt der Gegner. Schritt für Schritt baut DOOM Eternal neue Spielelemente ein, welche auf bemerkenswerte Weise das an sich simple Spielgeschehen durchwegs attracktiv und interessant halten und gleichzeitig nicht zu überfordern wissen. An mancher Stelle hat man das Gefühl, nun alles gesehen zu haben – bevor der nächste Knaller kommt! Nach einem etwas zugekleisterten Einstieg überzeugt DOOM Eternal also mit einem extrem hohen Unterhaltungslevel, welcher seinen Vorgänger durch das geschickte Ausbauen des Spielarsenals im direkten Vergleich sogar noch übertrifft.
Niemand erwartet von DOOM eine tiefergreiffende Geschichte als Stirb Langsam 1-5, Rambo 1-5 oder Letahl Weapon 1-4 – wir sind hier für die Action! Dennoch benötigt gute Unterhaltung auch in diesem Segment einen ernst zu nehmenden Bösewicht, einen charakterstarken Grundplot, ein stimmiges Setting sowie vielleicht sogar den einen oder anderen unvorhergesehenen Twist. Während DOOM (2016) noch auf authentische Weise dem Doom Slayer die Nummer des beinharten Actionhelden a la John McClane verpasste, kann DOOM Eternal selbst für diese Verhältnisse kaum mit ernst zu nehmendem Inhalt glänzen. Eine Geschichte existiert nur in den Grundzügen (Die Erde wird von Cyberdämonen bedroht, wir retten sie mit unserem Awesome-Juice), und der Aufbau eines wahren Bösewichten fehlt fast komplett. Auch sonst eingebaute Action-Komik wie ein Robotter, welcher dich auf den korrekten Umgang mit Dämonen hinweist, ringen zwar teilweise ein Lächeln ab, wirken aber im Grossen und Ganzen überflüssig und kaum der Rede wert. Hier vermochte DOOM 2016 noch den grösseren Charme zu versprühen und verpasste dem Spiel ein paar Denkwürdige Momente, welche so in DOOM Eternal nur noch vermisst werden können. Dies führt dazu, dass DOOM Eternal wesentlich plumper und stumpfsinniger daherkommt, als es hätte sein müssen. Denn: Der Doom Slayer ist cooler denn je und allgemein wurde viel Wert auf einen möglichst knallharten Auftritt des gesamten Spiels gelegt, welches sich darüber hinaus nicht so ganz ernst zu nehmen versucht. Hierbei hätte mit vergleichsweise geringem Aufwand, wie z.B. etwas geschickter eingesetzter Actionkomik, den Charakteren mehr Profil verleiht werden können, was erhelblich zur Aufwertung der Atmosphäre des Spiels beigetragen hätte.
DOOM (2016) hat durch das Mastermind Mick Gordon einer der grandiosesten Soundtracks in der Geschichte der Videospiele. DOOM Eternal, musikalisch ebenfalls aus der Hand des Grossmeisters, knüpft an diesem Erfolgsrezept nahtlos an, vermag aber nicht, dieses noch zu verbessern oder auch sonst sich in irgendeiner Form davon abzuheben. Dies ist aber auch gar nicht nötig, selten hat ein Metal-Soundtrack so gut in ein Spiel gepasst, wie dies bei DOOM (2016) resp. DOOM Eternal der Fall ist. Auch vermag die Dynamik, mit welcher härtere Musikpassagen analog zu aufkommender Action abgespielt werden, die Stimmung des Spiels derart perfekt zu unterstützen und anzuheben, dass hier kaum Wünsche offen gelassen werden oder Raum für Kritik besteht.
DOOM Eternal übertrifft seinen Vorgänger DOOM (2016) in fast allen Belangen: Der Spielumnfang ist grösser, das Arsenal des Doom Slayer (noch) abgefahrener, die Gegner (noch) verrückter und aufgelockert wird das ganze mit zusätzlichen Kampfelementen wie “Weak Points” bei Gegnern, Perks für den Slayer oder etwas an Super Mario erinnernde Hüpf- und Puzzlepassagen zwischen den sonst elementaren Actionsequenzen. Dabei gelingt es id Software, nach einem zunächst etwas lahmen Start, gekonnt, die Messlate extrem hoch zu halten und dem Spieler durch das kontinuierliche zuschaufeln von neuen Spielelementen ein durchwegs packendes Spielerlebniss zu bieten. Hierbei wirkt DOOM Eternal zu keiner Zeit unfair und belohnt den Spieler regelmässig mit neuen Fähigkeiten und Herausforderungen, was enorm zum hohen Spielspass beiträgt. Kritik erntet das Spiel durch den plumpen und gleichzeitig mit Infos überladene Einstieg in das Spiel, welcher zunächst nur spärlich Stimmung aufkommen lässt. Dieses Gefühl verflüchtigt sich in der zweiten und spätestens in der dritten Mission dann jedoch komplett. Gleichzeitig ist der Doom Slayer zwar cooler denn je, hat aber durch merkbar zurückhaltendere Storyelemente viel weniger Profil als dies noch in DOOM (2016) der Fall war und alles in allem ist die Geschichte sowie der Oberbösewicht in DOOM Eternal kaum der Rede wert – hier wäre definitiv noch Potential nach oben vorhanden, welches mit bereits angekündigten DLC’s evtl. noch nachgeliefert wird. So oder so ein ausgezeichnetes Spiel und “state of the art”, wenn es um moderne FPS-Shooter geht. Wer DOOM (2016) mochte wird DOOM Eternal lieben – und wer für John J. Rambo, Terminator oder John McClane nur einen müden Blick übrig hat, der wird auch beim Doom Slayer nur die Nase rümpfen. Am Ende bleibt Kunst eben auch Geschmackssache.