Nach etwas mehr als 20 Jahren verpasst Capcom seinem Hit Resident Evil 3: Nemesis ein vollumfängliches Remake. Damit versucht das Entwicklerstudio direkt an den letztjährigen Überraschungserfolg des hochgelobten Remakes von Resident Evil 2 anzuknüpfen. Ich habe mich einige Nächte als Jill Valentine und Carlos Oliveira durch die von Zombies überlaufene Stadt Racoon City gekämpft und komme zum Schluss: RE3:Nemesis (2020) ist ein unterhaltsames, sorgfältig umgesetztes und mit etwas mehr Action als sein geistiger Vorgänger gespicktes Zombie-Survival-Videospiel – perfekt ist es aber nicht.
Ich habe Resident Evil 3: Nemesis in seiner Urversion 1999 nie gespielt, hatte allerdings anno dazumal noch auf der Playstation 1 einige Stunden im Seriengründer Resident Evil aus dem Jahre 1996 verbracht. Das Spielprinzip sowie die grundsätzliche Geschichte war mir beim Start in das RE3-Remake also nicht fremd. Dennoch eröffnete ein Blick auf metacritic.com, dass viele der schlechten Bewertungen auf der Tatsache fussen, dass erhebliche Teile der original Resident Evil 3 Story zu Gunsten von mehr Action und einem stärkeren Miteinbezug der stellenweise spielbaren Figur Carlos Oliveira – quasi dem männlichen Gegenstück zu Jill – verändert oder ganz weggestrichen wurden. Für “Die-Hard-Fans” der Serie dürfte das neue Remake also insofern ein Dorn im Auge sein, als dass die sonst tief(er)greifende Geschichte zu Gunsten etwas lässigerer Spielhallen-Ballerei und Tomb Raider (2015+) Actionsequenzen gestrafft wurde.
Als unbeflecktes Tuch hinsichtlich dieser Angelegenheit kann ich sagen, dass Resident Evil sowieso nie ein Spiel war, welches sich hauptsächlich wegen der grandiosen Story in meiner Mediathek befand. Viel mehr brannte sich die Serie wegen ihrer schaurigen Atmosphäre, den dünnen Gängen, der unheilvollen Geräuschkulisse sowie unbarmherzigen Spielmechanik in mein Gedächtnis, bei welchem es dir als Spieler schon im Hauptmenü und spätestens im Ladebildschirm kalt den Rücken herunter lief, angespannt wegen dessen, was gleich auf dich zukommen wird. Dieser Horrorfilm- und Gruseleffekt ging irgendwo auf dem Weg hin zu mehr Action – welche ich grundsätzlich begrüsse – leider mehrheitlich verloren. Dass es durchaus möglich ist, eine gehörige Portion Third-Person-Action mit waschechter Horroratmosphäre zu verbinden, bewies beispielsweise The Evil Within (2014) eindrücklich (welches ebenfalls aus der Federführenden Hand von Shinji Mikami stammt – der sogenannten “Erfinder” der Resident Evil Reihe). Etwas mehr Sebastian Castellanos hätte Jill Valentine und Carlos Oliveira also durchaus gut getan, um, wennschon nicht Story-, dann Atmosphäre-mässig der Serie vollumfänglich gerecht zu werden.
Glücklicherweise macht die Neuauflage von Resident Evil 3 aber sonst eine durchwegs flotte Figur: Das Spiel sieht klasse aus, das Bestücken des Zombiefriedhofs mit neuen Einwohnern macht mehr Spass den je und das Wegfallen der statischen Kamera irgendwo oben in einer Ecke des Levelabschnittes vermisste ich keinen Wimpernschlag. Alles in allem macht das Spiel einen sehr wertigen Eindruck und kann – wie bereits sein Vorgänger 2019 – als Vorzeigebeispiel für einen gelungenen Remake herangezogen werden. Dennoch kann ich nach gut 10 Stunden des Rumstöberns in Racoon City auch das Eine oder Andere negative Fazit ziehen.
Es ist das immer währende Thema eines Remakes: Wie viel belassen wir der Nostalgie halber beim Alten und wo setzen wir mit dem Super-Mario-Maker-Tool an und zaubern etwas neues, dem Jahre 2020 entsprechendes. Meine Meinung dazu ist simpel: Wenn ein Spielelement beim Remake nur (noch) der Nostalgie dient und sonst keinen erkennbaren Mehrwert (=Spielspass) mit sich bringt, dann lässt man es lieber weg. Denn: Wer 2020 unbedingt immer noch das Inventar von Jill Valentine oder Carlos Santana ohne Drag & Drop bedienen möchte und sich stattdessen bequem jedes mal durch irgendwelche fuseligen Dropdown-Menus klicken will, der darf gerne seine PS1 aus dem Keller holen, den Staub von der Resident Evil 3 CD-Hülle blasen, die Konsole starten und nach 5 Minuten Wartezeit sich die volle Dröhnung 1999er Nostalgie rein ziehen – inkl. 2m Controller-Kabel direkt vor dem TV. Was nun vielleicht etwas überspitzt klingt – und auf der Konsole wohl weniger auffällt, da sowieso keine Maus vorhanden ist – fühlte sich auf der PC-Version doch relativ störend an und wirkte im Rahmen des sonst grafisch und spielerisch komplett neuen Auftrittes auch merkwürdig deplatziert. Warum also nicht auch gleich einen Hotkey für Medipacks? Ich glaube nicht, dass das Spiel dadurch 2020 weniger Resident Evil gewesen wäre…
Ebenfalls Stellenweise störend bis komplett frustrierend ist die schwammige Steuerung der Spielfigur, was gerade in Actionsequenzen besonders negativ auffällt: Jill resp. Carlos reagieren oft leicht verzögert und die Richtung, in welche die omnipräsente und Lebensrettende “Bodenrolle” gemacht wird, ist wegen der Schulterkamera häufig reine Glückssache – all zu oft rollt Jill in eine herumstehende Mülltonne und gönnt sich danach eine Umarmung mit dem herbei schlurfenden Nachbarn. Gleichzeitig ist ein schnelles Reagieren jedoch essenziell, um quasi jedem Angriff, vom Zombie mit Strohhut bis zur Wurstfinger-Attacke des Oberbösewichts Nemesis, glimpflich zu entkommen. Schnell kommt dir die hackelige Steuerung der Originalserie wieder in den Sinn – Absicht? Spass macht’s nicht.
Die bisher genannten Dinge sind mehr oder weniger Kleinigkeiten, welche dank der sonst durchwegs guten Unterhaltung nur leicht in die Negativ-Wagschale fallen. Was aber wirklich komplett überflüssig erscheint ist die Tatsache, dass es (zumindest auf der Schwierigkeitsstufe “Hardcore”) Levelabschnitte gibt, in welchen, ist dir erst einmal die Munition ausgegangen, schlichtweg kein Weiterkommen mehr möglich ist, da eine Türe oder die nächste Cutscene erst “freigeschalten” wird, nachdem auch der letzte Zomboid zum zweiten Mal das Ewige suchte. In solchen Situation bleibt jeweils nichts anderes übrig, als sich ein paar Küsse der Modrig-Anmutenden verteilen zu lassen und beim nächsten Versuch etwas sparsamer mit seiner Ausrüstung umzugehen. Und wenn’s ganz gut läuft, klappt auch dies nicht und Jill/Carlos ist genötigt, noch einen Speicherpunkt weiter hinten die Story wieder aufzunehmen. Inwiefern eine solche Mechanik etwas zum Spielspass beitragen soll ist mir schleierhaft. Aber eines bewirkt sie auf jeden Fall: Man geht ab solch einem Erlebnis Sparsamer mit seiner Munition um! Vielleicht ist dies auch die Methodik hinter der andauernden Krise mit ewig ausverkauftem Toilettenpapier – wer weiss.
Residet Evi 3: Nemesis (2020) ist ein durchwegs gelungenes Remake, welches über weite Strecken den hohen Erwartungen, geschürt durch den Überraschungserfolg des Vorgängers 2019, gerecht wird. Bei der Story wurde zu Gunsten des Actionaspekts merkbar, aber aus meiner Sicht nicht störend, gespart und das Spiel überzeugt mit einem guten Erzähltempo sowie genügend Abwechslung in der mehr oder weniger kurzen Spielzeit, nach welcher man bereits die Credits rollen sieht. Für ein Vollpreis-Spiel (aktuell beläuft sich der Titel auf Steam bei rund 70.- CHF) fällt der Inhalt aus diesem Standpunkt etwas mager aus und ein tieferer Preis empfände ich als angemessener. Dafür bietet das Resident Evil 3 Remake ein komplett überarbeitetes Spiel, welches mit aktueller Grafik und einem mehr oder weniger modernen Gameplay zu überzeugen weiss. Getrübt wird dieses Bild etwas durch die nach wie vor Stellenweise hackelige Steuerung der Spielfigur, welche auch die frustrierenden Elemente vor dem Jahrtausendwechsel zurück in das Jahr 2020 holt. Ergänzt wird dieser Umstand durch ein mehr als überholt anmutendes Interface-Bedienungssystem sowie unlösbaren Levelabschnitten, sobald erst einmal die Munition alle ist. Glücklicherweise halten sich diese abwertenden Spielinhalte stark in Grenzen, weshalb dem König dadurch zwar ein Zacken aus der Krone fällt, das Spiel sonst aber allgemein einen überzeugenden Eindruck hinterlässt. Einen Wehrmutstropfen gibt es dennoch: Wer von Resident Evil 3 (2020) ein waschechtes Horror-Survival-Videogame erwartet, wird enttäuscht werden. Nur höchst selten vermögen einzelne Passagen die Nackenhaare ansatzweise in die Senkrechte zu versetzen, hier wurde offensichtlich ein etwas massentauglicherer Weg mit mehr Action und weniger Horror gewählt. Wer darüber hinwegsehen kann, wird mit dem neusten Streich aus dem Hause Capcom eine kurze aber gute Zeit haben. Ich empfehle auf den nächsten Sale zu warten, da das Spiel für meinen Geschmack etwas zu wenig Inhalt für einen Vollpreistitel bietet.
Resident Evil 3: Nemesis (2020) – TOTAL: 7/10 Punkte
Grafik: 8/10 – zeitgemäss, passend, schönes leveldesign, tolle lichteffekte und atmosphäre
Gameplay: 5/10 – hackelige Steuerung und fuseliges Inventarsystem trüben
Story: 6/10 – oberflächliche Story solide und mit vielen tollen cutscenes umgesetzt
Kreativität, Innovation: 6/10 – keine Revolution eines Remakes, muss aber auch keine sein
Unterhaltung: 9/10 – flottes Erzähltempo und ständig wechselnde Szenerie sorgt durchwegs für Unterhaltung auf hohem Niveau
Musik, Ton: 6/10 – konnte kein Soundtrack ausmachen, Geräuschkulisse ok